Kirchweih


„Von Sunnta bis Irta dauert- Kirta"
Am dritten Sonntag im Oktober ist „Allerweltskirta"

Das allerschönste und wichtigste Fest im bayerischen Bauernjahr war früher Kirchweih oder Kirta, wie man hierzulande sagt. Der Arzt Josef Benzinger hat für seine „Traktätchen - Brevier für Haus und Hof" eine treffliche Schilderung für dieses Fest verfasst: „Am dritten Sonntag im Oktober wird bei uns in Altbayern alljährlich das Kirchweihfest gefeiert. Früher geschah das an dem Tag, an dem die Ortskirche dereinst geweiht wurde. Da aber dieserweise die Feste in Stadt und Land nicht ausgingen, hat man sich - langsam und nur widerwillig - auf den dritten Sonntag im Oktober geeinigt."

Die Kirchweihfahne heißt in Hofkirchen auch Zachäus. Sie verdankt ihren Namen dem Zöllner Zachäus. Er wollte gern sehen, wer dieser Jesus sei, doch die Menschenmenge in Jericho versperrte ihm die Sicht; denn er war klein. Darum lief er voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus zu sehen, der dort vorbeikommen musste. Als Jesus an die Stelle kam, schaute er hinauf und sagte zu ihm: Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein.
In der früheren Liturgie traf dieses Evangelium nach Lukas 19.1-19.10 jedes Jahr an Kirchweih, wodurch die Fahne zu ihrem Namen kam.

Seit 1850 ungefähr wird nun an diesem Sonntag der so genannte „Allerweltskirta" gefeiert. Früher wurde das Kirchweihfest ausgiebiger gefeiert als die drei Hochfeste des Kirchenjahres (Weihnachten, Ostern und Pfingsten), wo man sich mit zwei Feiertagen begnügte. „A richtiger Kirta dauert Sunnta (Sonntag), Monta (Montag) und Irta (Dienstag), wann se's tat schicka, a bis zum Miga (Mittwoch)", so hieß es im Volksmund. „Die Ehehalten", wie die Dienstboten früher genannt wurden, freuten sich schon das ganze Jahr über auf den Kirta. Die kirchliche Feier nahm oft nur einen bescheidenen Raum ein. Um so üppiger und lauter lief die weltliche Feier ab. In den Wochen vor Kirta wurden Haus, Hof und Stall besonders sorgfältig gesäubert und auf Hochglanz gebracht. Die letzten Tage vor dem Fest wurde die „Kirta-Sau" geschlachtet sowie die „Kirta-Gäns" und „-anten".

Angefangen hat der Kirta bereits, wenn am Samstagnachmittag die „Zachäusfahne" am Kirchturm aufgehängt wurde. Das Kirta-Essen begann mit einer „Brietsuppe", einer Wurst- und Fleischbrühe, welche am Schlachttag beim Auskochen von Lunge und Leber sowie beim Wurstbrühen angefallen war. Anschließend gab es Blut- und Leberwürste mit Sauerkraut und Brot. In jedem Haus und Hof wurden „Kiachl" (ein süßes Hefegebäck) gebacken und die Bäuerinnen waren stolz, wenn sie schöne „Randl" hatten und gut gelungen waren.
Am Samstagabend gab es dann die ersten Kiachl und dazu das Kirta-Bier. Am Kirchweihsonntag wurde dann so richtig üppig aufgetischt mit allem, was Haus und Hof hergab und mit Schmankerl, die man sonst während des Jahres als Dienstbote nicht vorgesetzt bekam.

Je nach Witterung wurde zur Kirchweih die "Kirtahutschn" (Kirchweihschaukel) im Freien oder auch in der Stadeltenne aufgebaut. Die Kinder und auch die Dienstmägde durften hier schaukeln. Sehr zur Freude der Knechte (und wahrscheinlich auch der Dirnen) wurde hier kräftig angeschubst, damit die Röcke flogen und es was zu sehen gab, was man sonst nie sah. Selbstverständlich haben die Pfarrer vorbeugend schon beim Festgottesdienst von der Kanzel über dieses unsittliche Treiben gewettert und für diese Sünden die schlimmsten Höllenszenarien ausgemalt.

Am Kirchweihmontag wiederholte sich nach dem Kirchgang, der meist mit dem Totengedenken verbunden war, das üppige Mahl des Vortages. Nachmittags und abends ging es dann auf den Tanzboden zum „Kirta-Tanz".
Der Dienstag brachte meist die Reste der Vortage auf den Tisch: „Gesottenes und aufgewärmter Schweinsbraten; das Bier durfte natürlich wieder nicht fehlen. In der heutigen Zeit hat der Kirta viel von seinem ursprünglichen Reiz verloren. Worauf man sich früher das ganze Jahr gefreut hat, ist heute alltäglich geworden. Seit einigen Jahren gibt es in Bayern auch keinen Feiertag mehr am Kirchweihmontag und das früher so wichtige Fest gerät zunehmend in Vergessenheit.

Oktober 2004 Aus der Laberzeitung | Foto: Richard Stadler